Der Wiederentdecker des kleinen grünen Kaktus aus dem Dachboden der legendären Comedian Harmonists, Max Raabe, machte es kürzlich rechtzeitig zum Frühlingsbeginn 2018 vor: Mit seinem Lied Fahrrad fahr’n, jetzt verfügbar im sommerlichen Remix seines Kollegen Achim Hagemann, kombinierte er klassische Töne mit einer ebenso nostalgisch angehauchten wie angesagten sportlichen Betätigung. Die Idee einer Verbindung von klassischen Klängen mit dem „Drahtesel“ ist aber nicht ganz neu, denn in den letzten dreißig Jahren wurden hierzulande Festivalkarten gerade fahrradreisenden Touristen angeboten und ganze Routenprogramme rundherum organisiert.

Mag auch die Gefahr der Benutzung von laut dröhnenden Kopfhörern beim schnellen Radeln durch belebte Straßen weitgehend bewusst sein, so lässt sich gerade auf den Feldern der Folklore und Kunstmusik im Zuge der Huldigung entschleunigter Verkehrsmittel und des florierenden „sanften Tourismus“ unter dem Motto „Back to nature“ ein anhaltender Trend feststellen.
So konnten erst vor kurzem an nur einem Tag, dem 16. Juni, in der Parkregion der südmährischen Achse Lednice-Valtice und in der nördlichen österreichischen Weinviertelregion um Poysdorf verschiedene Konzerte angefahren werden. Zu neun verschiedenen Uhrzeiten zwischen 10 und 17 Uhr boten die Veranstalter in einem wahren Spielmarathon Klassik auf dem Jagdschloss Valtice an, desgleichen in der Reithalle des Schlosses Lednice.

In der oberen Synagoge von Mikulov waren derweil Klezmer-Musiker zugange, während in der örtlichen Kirche František Vobecký – ebenfalls pedaltretend – mit Orgeltönen sein Publikum in den Bann zog. Mittelaltermusik durfte in einer historisch so bedeutsamen, wenn auch ausgesprochen ländlichen Region Tschechiens nicht unter den Tisch fallen: So konnten die Radfahrer auf ihrer nicht allzu weitläufigen Tour auch noch auf der Johannes-Burg von Podivin den Aufführungen des Ensembles Weytora beiwohnen.

Den Deutschen Tourismuspreis gewannen die Musikfestspiele Potsdam unter anderem wegen ihres bis dahin einzigartigen Fahrradkonzerts. Erstmalig 2010 konnten klassikinteressierte Radfahrer je nach Kondition und Übung verschiedene Konzertrouten im und um das Stadtgebiet auswählen. Weitere positive Aspekte dieses Arrangements waren die unmittelbar nachzuvollziehende Verbindung von Naturerleben und Musik sowie die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen im Tross der radelnden Familien, die so teils erstmals Konzerte mit Kunstmusik live erleben, was sicher im einen oder anderen Fall für eine Initialzündung sorgte.