Das Wandern von Melodien durch ein vielfältiges Spektrum der Harmonien und über Tonleitern hinweg macht Sergej Rachmaninoffs Orchesterwerke und ganz besonders die Klavierkonzerte zum Stoff, aus dem die Träume (des Publikums) sind. Von dieser Besonderheit zeugte auch das Spiel der georgischen Pianistin Tamar Beraia am Abend des 26. April mit dem Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 d-Moll im Theater Erfurt.

Der öfter gegen den Komponisten gerichtete Vorwurf des Salonsentimentalismus trifft somit nicht zu: Es ging ihm bei der motivisch-thematischen Ausführung keineswegs um das Reproduzieren von akustischen Gefälligkeiten, sondern um ein entwickelndes Komponieren, das Unvorhersehbares und neue Strukturen hervorbringt. Dies bestätigt auch die Einschätzung des Urhebers, das 1909 durch Walter Damrosch in New York uraufgeführte Konzert habe „sich einfach von selbst“ geschrieben.

Dem Ideenreichtum Rachmaninoffs ließ Gaetano Soliman, der Dirigent des Abends, freien Lauf, indem er nur behutsam in die Partitur eingriff und so der musikalischen Sprache eines Werkes zwischen russischen und US-amerikanischen Klangsphären weitgehend freien Raum zur Entfaltung ließ. Das gegenüber dem Orchesterapparat äußerst emanzipierte und autonome Spiel der Klaviervirtuosin passte in idealer Weise zu diesem Ansatz und hätte nur an mancher Stelle etwas akzentuierter ausfallen können. Andererseits ergeben sich andere Wirkungen, wenn das Pathos, das dem 1. Satz Allegro ma non troppo durchaus innewohnt, etwas zurückgenommen wird. So ergeben sich auch neue klangliche Eindrücke. Die hohen technischen Anforderungen an den Klavierpart rückten bei Tamar Beraias Spiel gleichmäßigem, unaufgeregtem Anschlag beinahe in den Hintergrund, hätte man sie nicht beobachten können.

Ein völlig andersartiges Szenario ergab sich nach der Pause mit Jean Sibelius‘ kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert entstandener 2. Sinfonie D-Dur op. 43. Denn statt des flüssigen Laufs des vorhergehenden, spätromantisch gesättigten Konzerts bot sich mit den beiden ersten Sätzen dem Zuhörer nun eine nordisch-kantige, monolithisch wirkende und dennoch sehr eigenwillige Komposition. Dass es sich um seine meistgespielte, populärste Symphonie handelt, liegt wohl mehr am Charakter des Andantes und des nachfolgenden abschließenden Vivacissimo-Satzes, die von einer kaum zu übertreffenden innigen finnischen Melodie mit Steigerungseffekt bestimmt werden und von Gaetano Soliman mit großer Leidenschaft vorgestellt wurden. Zusammenfassend bemerkten im übrigen schon Arnold Werner-Jensen und Klaus Schweizer gerade an dieser Sinfonie die Reichhaltigkeit des thematischen Materials und seine variative Fortschreibung, die sie deutlich von der ersten aus dem Jahr 1898 unterscheidet.
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