Leitstern Trompete

Wie selbstverständlich rückt das Genre Trompetenkonzert dank Alison Balsom und Gabor Boldoczki regelmäßig zur (Vor-)Weihnachtszeit in den Fokus. Es scheint so, als würde es bei seinem Erklingen auch während der langen übrigen Zeit des Jahres besonders mit den christlichen Festen im Dezember assoziiert und dorthin verbannt. Damit das Pendel der Wahrnehmung aber nicht nur zwischen den synchron angeordneten Fixsternen Vivaldi und Telemann ausschlägt, sei ein Blick in Entstehung und früheste Zeit des Typus geworfen.

Der ungarische Trompeter Gabor Boldoczki gehört weltweit heute zu den gefragtesten Interpreten auch barocker Trompetenkonzerte (Marco Borggreve, 9.6.2010, OTRS lIC:9:
Der ungarische Trompeter Gabor Boldoczki gehört weltweit heute zu den gefragtesten Interpreten auch barocker Trompetenkonzerte (Marco Borggreve, 9.6.2010, OTRS lIC:9:

Im Mittelalter war die Trompete noch Begleiterin der Schalmeien und wurde von fahrenden Spielleuten geblasen. Demonstrierte in der Renaissancezeit ein Herrscher seine Macht auch durch ihren Einsatz, so fand sie erst in frühbarocker Zeit ihren Platz im Orchester, hier vor allem in größer besetzter geistlicher Musik, etwa gleich mit drei- oder sechsfacher Besetzung in Heinrich Schütz‘ Chorsatz Danket dem Herren, denn er ist freundlich. Den anfänglichen Paukenschlag machte freilich die Einleitungsfanfare von Claudio Monteverdis frühester Oper L’Orfeo, 1607 erstmals aufgeführt. Es dauerte allerdings noch eine ganze Weile, nämlich bis zur Begründung des Solokonzerts, bis sich die stimmlich (schon dank ihres Klangvolumens) leitende Trompete aus den nahezu rein vokalmusikalischen Zusammenhängen, man denke auch an Marc-Antoine Charpentiers namhaftestes Te Deum, emanzipiert hatte.

Das Vejvanovsky-Haus in Kromeriz zeigt auf einer Tafel symbolhaft die für den Komponisten wichtigsten Instrumente Trompete und Violine (SchiDD, 19.10.2014, CC-Liz.).
Das Vejvanovský-Haus in Kromeriz zeigt auf einer Tafel symbolhaft die für den Komponisten wichtigsten Instrumente Trompete und Violine (SchiDD, 19.10.2014, CC-Liz.).

Am kunstliebenden Hof der ostmährischen und heute zu Tschechien gehörenden Stadt Kremsier hatte der Trompeter und Chorleiter Pavel Josef Vejvanovský (1633 – 1693) reichlich Gelegenheit, mit seinem höchsteigenen Instrument zu experimentieren und ihm im Ensemble eine – teils dominierende – Stellung zu verschaffen. Lange vor Giuseppe Torelli (1658 – 1709) und noch länger vor Vivaldis bahnbrechendem Erfolg mit Solokonzerten gelang es Vejvanovský bereits in hochbarocker Zeit die Trompete in der Kammer- und Orchestermusik auf Augenhöhe mit Violine, Flöte, und Oboe zu positionieren.

Alison Balsom ist gerade wegen ihrer Auftritte und Einspielungen mit barockem Repertoire eine international gefragte Interpretin (Moherlihy8, 12.12.2011, CC-Liz.).
Alison Balsom ist gerade wegen ihrer Auftritte und Einspielungen mit barockem Repertoire eine international gefragte Interpretin (Moherlihy8, 12.12.2011, CC-Liz.).

Auf der Basis des Geigensolisten, der als Virtuose vor den übrigen Orchesterinstrumenten auftrat, schrieb Giuseppe Torelli, der längere Zeit für Wien und den brandenburgischen Fürstenhof „aufspielte“ und komponierte, spätestens Ende der 1680er Jahre Konzerte, in denen neben zwei oder drei anderen Instrumenten die Trompete solistisch vor Streichern und Continuo hervortrat. In ähnlicher Weise bemühten sich Petronio Franceschini (1651 – 1690), Domenico Gabrielli (1659 – 1690) und Giuseppe Jacchini (1663 – 1727) um die Durchsetzung der Trompete als tragende Stimme im Konzert.

Maßstäbe für das hoch- bis spätbarocke Trompetenkonzert setzte der Veroneser Giuseppe Torelli (p.d.).
Maßstäbe für das hoch- bis spätbarocke Trompetenkonzert setzte der Veroneser Giuseppe Torelli (p.d.).

Um noch einmal auf Heinrich Schütz und den Anfang zurückzukommen: Die Tatsache, dass er in seiner kurz um 1660 entstandenen Weihnachtshistorie, oder Historia der freuden- und gnadenreichen Geburt Gottes und Marien Sohnes Jesu Christi zwei Trompeten vorschrieb, sorgte nach ihrer ersten Veröffentlichung durch Philipp Spitta zwischen 1885 und 1894 und der Hinzufügung der weiteren obligatorischen Stimmen durch Arnold Schering 1908 dafür, dass wir heute Weihnachten mit dem Trompetenkonzert in Verbindung bringen. J.S. Bachs reichlicher Gebrauch der Trompete im Weihnachtsoratorium von 1734 ist nicht zuletzt auf Schütz‘ Partitur, herausgegeben Anno Domini 1664, zurückzuführen.

 

 

 

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