Prima vista scheint es ja keine große Kunst, einen Leierkasten zu bedienen, solange man nicht ohne tiefere Absicht beim Drehen aus dem Takt gerät. Allerdings bedeutet dies nicht, dass Komponisten und das spätestens im 20. Jahrhundert seine Mitwirkung für banal gehalten hätten …

Pianist und Fagottist Pierre Charial etwa, der gleichermaßen Jazz-Stücke für die Drehorgel adaptierte, richtete das mechanische Instrument, das schon 1974 seine Leidenschaft geweckt hatte, auch für die Wiedergabe Neuer Musik ein – was bedeutet, dass er die Lochstreifen für die Walze selbst bestanzte; dabei profitierte er immerhin, wie seinerzeit Conlon Nancarrow, vom technologischen Fortschritt gegenüber der rotierenden Stiftwalze. Und schließlich lag es an seiner Propagierung der Einrichtung jeglicher Kunstmusik (beispielsweise der Bachs, Mozarts und Francaix‘), dass der Komponist Marius Constant für ihn 1988 das weltweit wohl erste Konzert für Drehorgel und Sinfonieorchester aus der Taufe heben konnte.

Damit nicht genug konnte Charial den Komponistenkollegen Martial Solal für das Leierkastenprojekt Pièce de rechange pour orgue mécanique gewinnen. Dabei ist nicht zu übersehen bzw. zu überhören, dass in nahezu jedem Fall kreatives Handeln mit der besonderen Fähigkeit, das passende Repertoire für die Drehorgel zu finden, einhergeht. So realisierte er immer wieder neuartige Jam Sessions, die häufig zu Aufnahmen führten: Michel Godards Aborigène nahm ihn 1993 für sich ein, mit der Klarinettistin Sabine Meyer spielte er 2004 Paris Mécanique ein, in Zusammenarbeit mit Michael Riessler, einem dezidierten Vertreter Neuer Musik, entstand 2012 Big Circle.

So manches Kuriosum konnte in den letzten siebzig Jahren seinen Weg in Konzerthallen finden. Das horizontal gerippte Waschbrett gebrauchten zunächst Zydeco-Bands in Louisiana zum Zweck vielfältig variierter Perkussion und entwickelten den spezifischen Skiffle-Stil. Die „Provinz“ ging erst vor kurzem mit gutem Beispiel voran, als Manfred Gliemann mit dem Orchester des Musikvereins Baltmannsweiler als Solist am Waschbrett auftrat. Und Udo Reising machte sich einen Namen mit seinem Düsseldorfer „Jazz-Salon & Waschbrett-Orchester“.
Die Liste der zum Aufhorchen zwingenden „zweckentfremdeten“ so genannten Instrumente findet glücklicherweise dank des Ideenreichtums gerade bei Vertretern der Avantgarde kein Ende. Man denke augenzwinkernd dabei auch an den Kinderfilm Konzert für Bratpfanne und Orchester aus dem Jahr 1976 …
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