Italien-Spiegelungen

Haben wir wirklich September? Angesichts des weiteren Abendprogramms in Joana Mallwitz‘ Konzert am Donnerstagabend mit Bachs (mutmaßlichem) Doppelkonzert für Violine und Oboe und Mendelssohns „Italienischer“ Symphonie Nr. 4 konnte man tendenziell Werke hören, die sich mit ihrem frühlingshaften Impetus eher für Ende April oder Anfang Mai eignen. Beinahe dasselbe konnte von Ottorino Respighis bunt-quirligen Feste Romane zum Eingang gesagt werden, das mit einer wahren Fanfare dreier Trompeten aus dem Rang einsetzte. Geschickt wurde zusammen mit dem Orchester auf dem Podium der gesamte Klangraum des Theaters Erfurt gefüllt.

Im vierten "Bild" der Feste Romane (1929) stellt Ottorino Respighi die Piazza Navona während des nächtlichen Dreikönigsfests plastisch vor Ohren und Augen (Myrabella, 5.8.2009, CC-Liz.).
Im vierten „Bild“ der Feste Romane (1929) stellt Ottorino Respighi die Piazza Navona während des nächtlichen Dreikönigsfests plastisch vor Ohren und Augen (Myrabella, 5.8.2009, CC-Liz.).

Noch dazu handelte es sich beim letzten Teil von Respighis so genannter Römischer Trilogie, den Feste Romane,  nach Fontane di Roma (1917) und Pini di Roma (1924) trotz der hohen Popularität dieser Tonvisionen auf deutsch(sprachig)en Konzertpodien um die Erfurter Erstaufführung. Die vier Szenarien stellen dabei aber keinen reinen Applaus des namhaftesten italienischen Komponisten seiner Epoche an seine Wahlheimat dar, denn zu Beginn werden die alten römischen Spiele geschildert, in denen christliche Märtyrer Löwen vorgeworfen werden. Die historische Verwandlung offenbart sich in Il Giubileo, das den Einzug erschöpfter Pilger in die „heilige Stadt“ zeigt.

Mendelssohns Aquarell "Blick auf Florenz", 1830 (US p.d.)
Mendelssohns Aquarell „Blick auf Florenz“, 1830 (US p.d.)

Deutlich annehmlicher geht es mit L’Ottobrata auf dem römischen Oktoberfest weiter, bei dem Jagd und Liebe gefeiert werden. Das letzte Bild La Befana sucht die Nacht des Dreikönigsfests am Anfang des Jahres einzufangen, zu dem teils in grotesker Verzerrung folkloristisches Gaukelspiel nebst ländlichen Liedern und Schaubudenorgelklängen eingearbeitet sind. Aufwändig bemüht Respighi für das muntere Treiben ein riesiges Symphonieorchester mit „viel Blech“ und zusätzlichem Schlagwerk. Der große Spaß an der Darbietung dieses auch satztechnisch und wegen der Rhythmuswechsel verzwickten Spektakels war den Musikern durchgängig anzumerken.

Partner für Bachs Doppelkonzert c-Moll anlässlich des Starts der Reihe Symphoniekonzerte am Theater Erfurt: Nicola Hatfield und Jeein Jung (L. Edelhoff, Theater Erfurt)
Partner für Bachs Doppelkonzert c-Moll anlässlich des Starts der Reihe Symphoniekonzerte am Theater Erfurt: Nicola Hatfield und Jeein Jung (L. Edelhoff, Theater Erfurt)

In starkem Kontrast hierzu stand das unmittelbar anschließende „rekonstruierte“ Bach-Doppelkonzert in c-Moll, das dieser später zu einem Konzert für zwei Cembali (BWV 1060) umarbeitete. Das Generalthema der drei Sätze ist das Echo als solches und bei dem brillanten und makellosen Spiel der beiden Solistinnen Nicola Hatfield an der Violine und Jeein Jung mit der Oboe konnte sich das Publikum gedanklich tatsächlich in einer quasi antiken Szenerie mit der Nymphe Echo am Quell unter einem Felsen in idyllischer Waldlandschaft einfinden. Die imitierenden Einsätze zusammen mit dem kontrapunktischen Umspielen der Solostimmen üben dabei natürlich nicht nur den Klangzauber von vielfach wiederholtem Hall und Widerhall aus, sondern vereinen eine pastoral-elegische Melodie mit frühlingshaft munter dahinsprudelnden Läufen.

1. Seite des Klavierauszugs (1900/1901) von Rimsky-Korsakoffs 'Hummelflug' (Verlag W. Bessel & Co., p.d.)
1. Seite des Klavierauszugs (1900/1901) von Rimsky-Korsakoffs ‚Hummelflug‘ (Verlag W. Bessel & Co., p.d.)

Jeein Jung, die nach ihrem Studium in Seoul und in Hannover dem Philharmonischen Orchester Erfurt 2014 beitrat und ihre aus Manchester stammende Duettpartnerin Nicola Hatfield, die seit längerem mit mehreren europäischen Orchestern auftritt und ebenfalls zum Ensemble zählt, legten noch eins darauf und spielten gleichermaßen unter Nutzung des Echoeffekts Rimsky-Korsakoffs atemberaubend geschwinden Hummelflug.

Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 - 1847) während seiner Bildungsreise durch England, Frankreich und Italien (London, Gemälde von James Warren Childe, 1830, US p.d.)
Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 – 1847) während seiner Bildungsreise durch England, Frankreich und Italien (London, Gemälde von James Warren Childe, 1830, US p.d.)

Ein Widerhall auf eine Italien-Reise ist auch Felix Mendelssohn-Bartholdys 4. Symphonie in A-Dur op. 90, die er erst drei Jahre nach seinem Aufenthalt in Neapel und Amalfi beenden sollte, nachdem er von der Londoner Philharmonic Society den Auftrag zu einer Symphonie erhalten hatte. Auch dieses Werk atmet die Jugendfrische des Frühlings, der die Seele des Bildungsreisenden ergriff, als er endlich die selbst so empfundene „Lebensfreude“ des Landes seiner Träume teilen konnte. Dirigentin Joana Mallwitz nahm die Ecksätze mit Schwung und motivierte ihre Musiker im 3. Satz Con moto moderato in Übereinstimmung mit dessen ganzer Satzweise zum „Aussingen“ der Töne. Es gelang ihr auch vortrefflich, den so unterschiedlichen Melodien der Symphonie ein markantes Profil zu verleihen und die Charaktere der einzelnen Sätze durch eine jeweils passende Intonation vorzubereiten.

Berichtigung: Im Beitrag Akustische Ökologie: keine Modeerscheinung muss die korrekte Verlinkung auf die Website der Künstlerin selbstverständlich lauten: www.vickihallett.com

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