Wohl, weil er zwischen 1852 und 1866 in Australien residierte und arbeitete, wird er aus der Perspektive des fünften Kontinents gerne als Vertreter der eigenen Musikhistorie gehandelt: An einem zentralen Wendepunkt seines Lebens emigrierte George Tolhurst zusammen mit seinem Vater aus der Grafschaft Kent nach Melbourne, um dort, was für viele damals eine attraktive Alternative zum englischen „Mutterland“ darstellte, als Musiklehrer weiterzuwirken.

Mit seinem Oratorium Ruth, dem ersten überhaupt, das der australische Bundesstaat Victoria sah, stieß er auf geteiltes Echo; die Kritik warf seiner hier angewandten musikalischen Satzweise technische Unzulänglichkeiten vor. Dies verhinderte aber nicht, dass Tolhurst mit der Komposition beim zweiten Anlauf in der City Hall von Prahran, einem fünf Kilometer vom Zentrum entfernten, heute dicht besiedelten Stadtteil von Melbourne aufgeführt, einen achtenswerten Erfolg verbuchen konnte, wie das Rezensionsblatt The Argus am 25. März 1865 vermeldete. Die Uraufführung des geistlichen Werks für die Konzertbühne hatte bereits ein Jahr zuvor am selben Ort stattgefunden.

Das später vom Publikum verschmähte und offensichtlich vergessene Oratorium über die Ahnherrin des Hauses David feierte seine konzertante Auferstehung erst im Jahr 1973 unter dem Taktstock von Antony Hopkins in einer bereinigten, neu orchestrierten, leider aber auch gekürzten Version in Londons Royal Albert Hall. Das Beispiel Ruth zeigt, dass pauschale Kritik (selbst von fachberufener Seite) oft nicht haltbar ist, denn unter anderem ist die Partitur des Oratoriums bei einer der größten digitalen Musikbibliotheken abrufbar.
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