Auch auf die Warschauer Musikerin Filipina Brzezińska (1800 – 1886) wirkte das Tatra-Gebirge anziehend wie ein Magnetberg auf Eisen – zur selben Zeit, wie die zahlreichen musikalischen Widmungen ihrer Kollegen, nämlich diejenigen Jan Kleczyńskis, Władisław Żeleńskis, Ignaz Paderewskis oder Zygmunt Noskowskis an die breiten Panoramen entstanden, die sich den romantisch gestimmten Wanderer-Künstlern in der wilden Landschaft boten.

Anlässlich der persönlichen Faszination, die die Berge im Südosten Polens auf Brzezińska ausübten, komponierte die Schwägerin der weitgereisten Konzertpianistin Marianna Agata Wołowska (1789 – 1831), welche noch bei Frédéric Chopin in hohem Ansehen stand, die Klavierfantasie In den Bergen der Tatra (1880).

Ihr Werk, zu dem außer Liedern vorwiegend Orgel- und Klaviermusik zählen, zeichnet sich durch klangschöne Schlichtheit und einen Zug ins Sentimentale aus, wobei ihre herausragenden Fähigkeiten als Pianistin in ihren Kompositionsstil eingingen. Sie hatte bei einem der St.-Petersburger Schüler von John Field, nämlich dem Königsberger Virtuosen und Hochschuldozenten Charles Mayer studiert und sich ein dementsprechend hohes Renommee erworben. Speziell für die Orgel publizierte sie 1876 ein Album mit fünfzehn kurzen Präludien. Unter den Klavierwerken zog besonders ein Nocturne, damals bekanntlich die von Field erfundene ultimative Modegattung für Pianisten, die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich.

Wegen seines empfindsamen Tons wurde zu Lebzeiten der Organistin und Komponistin besonders das kirchliche Lied Nie opuszczaj nas! Prośba do Matki Bozkiej geschätzt. Bei dem bewegenden Verlass uns nicht! handelt es sich um einen marianischen Bittgesang. Zu weiteren Vokalwerken der Mutter von vier Töchtern gehört neben den Liedern die Kantate Urbi et Orbi. Wie in etlichen anderen Fällen ist zu bedauern, dass derzeit weder auf dem Tonträgermarkt noch im World Wide Web (viel) von Brzezińskas Musik nachzuhören ist.
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