Bei jüngeren Komponisten findet sich derzeit eine reine Ausrichtung auf elektroakustische Musik selten, umso öfter erscheint sie aber in Kombination mit visuellen Medien, insbesondere Video-Performances. Kunst kann hier Zentrum und Anlass für ein Konzert bilden: Fiona Hill orientierte ihr 2008 entstandenes synthetisches Klangexperiment im Surround Sound unter Begleitung von neun Live-Musikern einzig und allein an einem Bild mit dem Titel Painting in Blue. Der Darstellung von sieben Beispielen aus der Fabrikindustrie erhebt sich auf einem blaugrünen Hintergrund. Die artifiziellen Klänge „vom Band“ generieren sich aus den Geräuschen von Maschinen, aus den Arbeiten in einer Metallplattenfabrik und Tönen eines manipulierten Klaviers, zudem aus den Playbacks der Instrumentenstimmen. Diese erfordern Blechbläser, einen Countertenor, Schlagzeuger, Violinisten und Cellospieler.

Wegen der erforderlichen genauen Synchronisierung mit den synthetischen Elementen ist eine Aufführung von Unity in Blue, dessen Gemäldegrundlage übrigens von dem australisch-neuseeländischen Künstler Godfrey Miller geschaffen wurde, nur mit einigem Aufwand zu leisten. Mit den sieben Repräsentationsebenen aus dem industriellen Bereich kontrastieren sieben verschiedene Mosaike, die im effektvollen Wechsel also zu einer Folge von vierzehn Stücken montiert sind. Bei einer Gesamtaufführungszeit von 45 Minuten kommt die Komposition somit schon der Dauer einer klassischen Symphonie nahe.
Chronologisch gesehen steht das bildgesteuerte elektroakustische Werk in der Mitte der drei bisher einer größeren Öffentlichkeit bekanntgewordenen Kompositionen Fiona Hills. Die Australierin wuchs selbst zwischen Fabriken und Wäldern auf und die audiovisuellen Eindrücke dieses polarisierenden Umfelds haben sie nachhaltig beeinflusst. Sie studierte nicht nur an drei verschiedenen Hochschulen ihres Heimatlands, sondern engagierte sich auch am Pariser IRCAM-Institut, der seit Mitte des 20. Jahrhunderts bestehenden Schmiede für elektronisch generierte Musik schlechthin. Zudem verbrachte sie eine Zeit ihres Studiums im kanadischen Montreal.

Dabei fing alles mit Kammermusik für das Ensemble The Firm an, woraus unter anderem die Stücke Signwaves, Integrals und Decomposition für Streicher hervorgingen. Vom Rundfunk wurde ihre 2006 vorgelegte Komposition Spider im Rahmen des Projekts WIRED des Zephyr Quartetts übernommen, außerdem rückte sie damit 2008 im Rahmen der Australian Computer Music Conference ins Zentrum des Interesses. Gemäß dem zugrundeliegenden Gedicht von Granaz Moussavi, der damit eine iranische Frau im Kampf um ihre individuelle Freiheit gegenüber der Autorität porträtierte, wird der Text hier auf arabisch und englisch gesprochen. Verfremdende Geräusche, unter anderem von einem präparierten Klavier, treten zum Spiel des Streichquartetts hinzu. Spider wurde für die 22. CD der Reihe Selected Works by AMC represented artists aufgenommen.

Zu Fiona Hills neueren größeren Werken zählt die synästhetische Klangschöpfung Chromoson (2010), die außer ihrer elektroakustischen Basis eine Performance mit wechselnden Bildern und Improvisation vorsieht und zu der auch ein genau festgelegtes Bühnenarrangement gehört. Bei dem sechzigminütigen Opus handelt es sich um eine Auftragskomposition der Trinity Grammar School Society of the Arts, die zuerst von Belinda Montgomery aufgeführt wurde. Auch im Hinblick auf die drei vorgestellten, aufwändig erdachten, geplanten wie ausgestalteten Hauptwerke gilt wiederum der Grundsatz, dass nicht Masse, sondern Klasse zählt. Daneben sollte erwähnt werden, dass Hill sich auch als Pianistin, etwa in Auftritten mit der Sydney Dance Company, einen Namen macht und Tanz als weiteres großes Interessensgebiet verfolgt.
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