Inwiefern sich Form und Gestalt unterscheiden, war in einem Zeitalter des rasanten naturwissenschaftlichen Fortschritts eine eher müßige Frage. Aus diesem Grund musste der Aristotelismus des Mittelalters, der noch weit in die Neuzeit hineinwirkte, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts den meisten Zeitgenossen (sicher nicht zu Unrecht) als überholte Denkschule erscheinen. So kann zu Recht die Hauptfigur von Molières und Lullys 1664 uraufgeführter Ballettkomödie Le Mariage forcé, der gealterte Junggeselle Sganarelle, von einem in die Scholastik verbissenen Philosophen keine Hilfe erwarten.

Dem Versailler Künstlerdreigestirn der darin einem „goldenen Zeitalter“ nicht unähnlichen Jahre von 1664 bis 1671 waren dank des konzentrierten Diskurses am Hof Aristoteles‘ ästhetische Kategorien natürlich bewusst – aber Satire und Komödie treiben jegliche Tendenz eben gern auf die Spitze. Mit im Boot der beiden Theaterschaffenden Molière und Lully war Pierre Beauchamp, erfolgreicher Tänzer, Choreograph und Geiger. Auf ihn als Urheber gehen nicht nur einige Ballettmusiken zurück, sondern auch die Entwicklung einer Tanznotation, die allerdings Raoul-Anger Feuillet, der sie als erster publizierte, für sich in Anspruch nahm. Das Kleeblatt selbst hatte bereits 1661 in Les Fâcheux kooperiert, die fruchtbare Zusammenarbeit setzte sich 1669 mit Flore, ein Jahr später mit Les amants magnifiques und 1671 mit der brillanten Komödie Les fourberies de Scapin fort.

Der Universalität und dem durch Grenzen unbeschränkten Wesen der Barockmusik gemäß setzte das Konzept des ebenso bunt zusammengesetzten Weimarer Ensembles aus Instrumentalisten, Schauspielern und Sängern auf Vielfalt. Am Freitag- und Samstagabend war es zwischen 19 Uhr und dem Beginn des Comédie-Ballet eine Stunde später möglich, verschiedene Räume des fürstlichen Schießhauses als Veranstaltungsort zu betreten, um sich überraschen zu lassen. Neben den Ausstellungen zur Epoche des Sonnenkönigs im Ovalen Salon und im Bankettsaal (wo man sich wie Louis XIV. selbst „zu Hause“ fühlen konnte) war in anderen Gemächern die Tonkunst der Zeit um 1700 präsent.

Die historisch informierten Akzente setzten hierbei mit Werken von Marais, Leclair, Boismortier und mit der königlichen Krönungssuite Kleinensembles von Dozenten und Studierenden der Abteilung für Alte Musik an der Weimarer Hochschule für Musik sowie spezialisierte Musiker aus Leipzig und anderen weiter entfernten Regionen. Einen Schwerpunkt bildete die vom Versailler Hof einst imitierte idealisierende Ländliche Hochzeit in der musikalischen Präsentation vom Leiboboisten des Königs, Jean Hotteterre, dramaturgisch passend zu Molières, Lullys und Beauchamps Einakter, dessen Aufführung den krönenden Abschluss des gestrigen (zweiten) Abends darstellte.
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