Nur für die Tastenkunst?

Angesichts der unüberschaubaren Menge an Wieder- und Neuentdeckungen barocker KomponistInnen seit den Anfangsjahren der Alte-Musik-Bewegung kann schon so manches Jubiläum unbeachtet an einem vorübergehen. Manchmal lohnt es sich aber nur en passant einen Blick in einen Prominentenkalender geworfen zu haben. Zum 400. Mal jährt sich nämlich heute der Geburtstag eines Stuttgarter Kapellmeistersohns, dessen Kindheit vom Dreißigjährigen Krieg ebenso gezeichnet war wie von einer Pestepidemie, die beide Eltern dahinraffte.

Autographseite der Vierten Partita für ein Tasteninstrument von Johann Jakob Froberger (Karadar Photo Gallery,  p.d.)
Autograph einer Partita für ein Tasteninstrument – von wem eigentlich? (Karadar Photo Gallery, p.d.)

Was musikalische Herkunft, Ausbildung und spätere wahrgenommene Chancen angeht, so handelte es sich allerdings bei dem Gemeinten um ein Glückskind: Auf einem französischen Schloss geboren wurde er mit eben einmal 21 Jahren zu einem der Wiener Hoforganisten ernannt, gewann einen Orgelwettstreit gegen den geschätzten Dresdner Konkurrenten Matthias Weckmann und bekam von Athanasius Kircher eine Kompositionsmaschine geschenkt. Auslandserfahrung sammelte er nicht nur in Rom, Reisen führten ihn dank einer Begegnung mit dem Nuntius des niederländischen Hofs auch nach Utrecht, Brüssel und Paris, lange Jahre verbrachte er in ordentlicher Position als Kirchenmusiker in Wien.

Nachdem der Nachlass des „alten Meisters“ an das Haus Württemberg übergegangen war, verschwand er auf unerklärliche Weise plötzlich. Aus diesem Grund wissen wir heute nicht, ob neben den zahlreichen Suiten, Capricci, Ricercare und Canzonen für Cembalo und Orgel nicht auch Ensemblewerke aus seiner Hand existiert haben oder noch irgendwo schlummern. Gerade für einen weltlich wie geistlich orientierten und versierten Musikschaffenden wie ihn wäre es um die Mitte des 17. Jahrhunderts ungewöhnlich gewesen, hätte er ausschließlich dem eigenen Instrument, einem Clavichord mit gebrochener kurzer Oktave, gedient. Es kann immer noch auf kontingente Funde respektive Enthüllungen des Landes Baden-Württemberg gehofft werden, die neue und andersartige Manuskripte ans Licht bringen. Denn immer wieder tauchten in den vergangenen Jahren neue Autographe auf, welche die in Kassel verantwortete Werkausgabe weiter wachsen lassen. Erst im Jahr 2006 wurde eines der Manuskripte versteigert und konnte somit leider nicht mehr rechtzeitig ausgewertet werden.

Der Palazzo Chigi Saracini beherbergt ein Fresko, das den seinerzeit europaweit berühmten Komponisten Girolamo Frescobaldi darstellt. Neben vielen anderen zählte er auch Johann Jako Broberger (1616 - 1667) zu seinen Schülern (Sailko, 22.7.2015, p.d.).
Der Palazzo Chigi Saracini in Siena beherbergt ein Fresko, das den seinerzeit europaweit berühmten Komponisten Girolamo Frescobaldi darstellt. Neben vielen anderen zählte dieser auch den hier Gesuchten zu seinen Schülern (Sailko, 22.7.2015, p.d.).

Es ist aufgrund eines Brieffundes sehr wahrscheinlich, dass ihn die musikbegeisterte Herzogin von Württemberg-Mömpelgard auf eine Bildungs- oder Konzertreise den bereits Europakundigen nach Madrid schickte. Dieser Spur kann die Forschung nachgehen, sobald sich auf der spanischen Seite konkrete Hinweise zu einem Aufenthalt gefunden haben. Die Fachwelt ist also gespannt: Lassen sich in einem solchen Fall aus den späteren bekannten Instrumentalwerken Rückschlüsse auf Einflüsse spanischer Kollegen ziehen?

Immerhin kannte der Gesuchte dank seiner beiden Italienaufenthalte und seiner Tour de France Girolamo Frescobaldi (als Lehrer), Giacomo Carissimi, Denis Gaultier und den Clavecinisten Louis Couperin persönlich und hatte offenbar einen „guten Draht“ zu den jeweiligen Potentaten der Länder. Jedenfalls bleibt es auch nach dem heutigen „Wiegenfest“, das im kleinen Kreis von Experten gefeiert wird, noch lange spannend, wenn es um die Frage des Gesamtwerks geht, wie es einzuschätzen ist und warum es Zeitgenossen wie die nächste Generation von Dietrich Buxtehude über Georg Muffat bis zu J.S. Bach und über diesen hinaus so nachhaltig beeindrucken sollte. Im Jahr 1666, also fast „auf den Schlag“ vor 350 Jahren, stattete er vielleicht ohne zu wissen, dass es seine letzte Reise sein sollte, seinem Geburtsschloss Héricourt bei Montbéliard an der Burgundischen Pforte nochmals einen längeren Besuch ab …

Senden Sie uns gerne Ihre Lösung des „Falls“ im Kommentar: Welcher runde und prominente Komponistengeburtstag jährt sich heute?

 

 

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