Leonard Bernstein und Seiji Ozawa waren ihre Lehrer an der Talentschmiede Tanglewood, wo angehende Dirigenten den „letzten Schliff“ erhalten. Die New Yorker Geigerin Marin Alsop trat in ihre Klasse ein, nachdem sie bereits in Yale und an der Juilliard School ihre Studien erfolgreich abgeschlossen hatte. Bevor sie 2002 als Chefdirigentin die Konzerte des Bournemouth Symphony Orchestra zu verantworten begann, hatte sie in Europa bereits beim Schleswig Holstein Musikfestival debütiert und war mit den zwei wichtigsten Londoner Orchestern aufgetreten ebenso wie mit dem Orchestre de Paris. 2007 übernahm Marin Alsop das Symphonieorchester in Baltimore und ist daneben auch für Chicago, Los Angeles, Philadelphia und die New Yorker Philharmoniker im Einsatz. Gleichermaßen ist sie Chefin des São Paulo State Symphony Orchestra und daher dort häufig zu sehen.

Als Frau am Pult trat sie vielfach erstmals in Erscheinung, so bei der Londoner Night of the Proms im Herbst 2013. Auch wenn die Ausübung der Berufung „Dirigentin“ heute nicht mehr so ungewöhnlich wirkt, war sie mit dem „Coup“ von Baltimore doch die erste Frau überhaupt, die ein großes amerikanisches Symphonieorchester unter ihre Fittiche nahm. Ihr persönlicher Repertoirekatalog ist seit den Anfängen erheblich gewachsen und spiegelt sich in zahlreichen Aufnahmen: Die Vorliebe für Werke von Glass, Barber, Takemitsu, Bartók, Brahms, Bernstein und Torke erweiterte Marin Alsop in den letzten Jahren mit Dvořáks neunter und sechster Symphonie, Tschaikowskys vierter, Prokofjews fünfter, Michael Herschs erster und zweiter, Daughertys Route 66 und Ghost Ranch, Coplands Dance Symphony, den beiden selbst hierzulande kaum bekannten Erstlingen Kurt Weills sowie den Symphonien Nr. 3 bis 6 von Roy Harris. Ihre Produktion von Bernsteins Candide wurde mit dem Emmy nominiert, nachdem sie bereits 2002 den Music Award der Royal Philharmonic Society entgegengenommen hatte.

Nach dem Vorbild des venezolanischen El Sistema, nämlich Kindern aus ärmlichen und problematischen Verhältnissen eine Perspektive mit der Musik zu bieten, gründete und fördert sie bis heute die „Orchkids“ als Ensemble der Zukunft in Baltimore. Hier, in der Joseph Meyerhoff Symphony Hall, wird sie morgen zum zweiten Mal Anna Clynes Masquerade (heute in der Premiere) leiten, außerdem Rachmaninoffs Rhapsody on a Theme of Paganini und Richard Strauss‘ Alpensinfonie.

Am 24. September 2015 ist Marin Alsop mit Brahms‘ 1. und 2. Symphonie in der Sala São Paulo zu hören und am 9. Oktober in Havanna, wo sie dem trotz aller wirtschaftlichen Umstände lebensfrohen Geist des Ortes huldigt und Werke wie Lecuonas Gitanerías und Romeus Tres Lindas Cubanas einbezieht; hier wird auch Lang Lang anwesend sein und Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1 spielen. Am 8. November gastiert sie mit dem Orchester aus Baltimore, dem Violinisten Jonathan Carney und Werken von Vivaldi und Glass im Gepäck am Music Centre von Strathmore Rockville. Samuel Barbers Second Essay for Orchestra und Gershwins Rhapsody in Blue stehen unter anderem auf dem Programmblatt des Konzerts am 27. November im Symphony Center Chicago.
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