Nachdem in Bremen vor zwei Jahren Johannes Brahms‘ verschollen geglaubte Frühfassung seines dem Anlass nach eher fragwürdigen Triumphliedes entdeckt wurde, sind in den vergangenen Jahren zahlreiche politisch weniger problematische Funde ans Ohr der Öffentlichkeit gedrungen: Bärbel Pelker, Musikwissenschaftlerin an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, konnte 2012 mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Weimarer Originalmanuskript als Anton Schweizers Oper Rosamunde, uraufgeführt im Jahr 1780, identifizieren, wobei kurioser- oder tragischerweise der Vermieter des Komponisten, ein Bäcker, mit derlei Papier seinen Ofen angeheizt hatte – ein drastischer Fall pragmatischer Nutzung des Vorhandenen, vergleichbar der von Mendelssohn aufgedeckten Verwendung wertvoller Bach-Handschriften in Leipzig als Einwickelpapier in der Fleischwarenhandlung …

Johann Adam Hillers 1753 nach einem Text von Gellert entstandenes Rokoko-Singspiel Das Orakel wurde 2011 vor dem Reißwolf gerettet und den richtigen zuständigen Händen übergeben. Christoph Meixner dokumentierte die Wiederentdeckung der kleinen, aber feinen Oper ausführlich, inzwischen gehört es in restaurierter Gestalt zum wertvollen Bestand des Archivs an der Weimarer Musikhochschule. Dank der vielseitig nutzbaren RISM-Suchmaschine konnte Michael Talbot die Quelle für ein bislang Alberto Gallo zugeschriebenes Violinkonzert in D-Dur (RV 206) mit hoher Sicherheit Antonio Vivaldis Werkregister zuordnen. Auf demselben Weg ermittelte Talbot in Durham ein in dieser Form 1717 datiertes d-Moll-Konzert (RV 241) desselben Komponisten aus der Kopistenhand des Dresdner Hofkonzertmeisters Johann Georg Pisendel.

Noch vor dem Ende des 300. Jubiläumsjahrs von Friedrich dem Großen 2012 konnten drei bislang unbekannte Flötensonaten, eigenhändig vom Preußenkönig (mit Cembalobegleitung) geschrieben, auf der Veste Coburg gesichert und dem Publikum vorgestellt werden. Sowohl aus der Hand von J.S. Bach und ebenso seinem Sohn Carl Philipp Emanuel, von Beethoven und Mendelssohn sind in den letzten Jahren hier und da bisher nicht bekannte oder verschollene Einzelstücke aufgetaucht, ein spektakulärer Fund aus dem Jahr 2005 brachte noch „Unerhörtes“ von Henry Purcell ans Tageslicht. Doch auch aus neuerer Zeit sind – bei deutlich besserer Überlieferungslage, sieht man einmal von den weitreichenden Zerstörungen durch Kriege ab – immer wieder Entdeckungen sogar völlig unbekannter Werke möglich: Henry Vieuxtemps‘ Oper La fiancée de Messine konnte 2012 durch die Königliche Belgische Bibliothek erworben und präsentiert werden; dabei galt der belgische Violinvirtuose, ganz ein Kind des 19. Jahrhunderts, auch der Fachwelt fast ausschließlich als Schöpfer von Instrumentalmusik.
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