Dänemarks bekanntester Klassikexport über dem Ozean

Hätte es seinerzeit schon entsprechende Pillen gegeben, wäre Dänemarks auswärts bekanntester Komponist am 9. Juni 2015 genau 150 Jahre alt geworden ( – bald schon keine Zukunftsvision mehr?). Wie auch immer – seine Werke haben offensichtlich alle Höhen und Tiefen insbesondere des 20. Jahrhunderts überlebt und sogar in New York startet anlässlich des Jubiläums ein großes Fest rund um Carl Nielsen (1865 – 1931). In Zusammenarbeit des New York Philharmonic Orchestra und des Nightingale String Quartets mit dem Dänischen Generalkonsulat und dem Label Dacapo Records wurde und wird heute in großem Stil gefeiert. Auf dem Programm steht zunächst das Bläserquintett op. 43 in einer Aufführung mit Musikern der New Yorker Philharmoniker – unter anderem der Oboistin Liang Wang und dem Hornisten Philip Myers -, es folgt eine Diskussion mit Chefdirigent Alan Gilbert.

Odd Fellow Palæet in Kopenhagen: Hier fand am 8. Oktober 1903 die Uraufführung von Nielsens Helios-Ouvertüre unter dem Norweger Johan Svendsen statt. Das Publikum reagierte enthusiastisch (blue_quartz 2008).
Odd Fellow Palæet in Kopenhagen: Hier fand am 8. Oktober 1903 die Uraufführung von Nielsens Helios-Ouvertüre unter dem Norweger Johan Svendsen statt. Das Publikum reagierte enthusiastisch (blue_quartz 2008).

Das renommierte Nightingale String Quartet, besetzt mit Josefine Dalsgaard und Gunvor Sihm an den Violinen, der Bratschistin Marie Louise Broholt Jensen und der Cellistin Louisa Schwab, präsentiert im Anschluss Nielsens berückendes Streichquartett Nr. 1 in g-Moll, das der äußerst selbstkritisch arbeitende Komponist 1898 nochmals revidierte. Zu guter Letzt ist ein ungewöhnlicher Remix etlicher seiner Werke auf dem Plattenteller durch die Klassik-DJ-Größe Katrine Ring aus Kopenhagen zu erleben. Wer es sich – wie die meisten von uns, auch wenn sie ausgesprochene Nielsen-Enthusiasten sind – nicht leisten konnte – für das heutige Konzert über den Ozean zu jetten, hat dennoch die Möglichkeit, den heute um 19.15 Uhr startenden Event nachzuhören, da die CD Launch Party als Rundfunkproduktion von WWFM, dem Sender des US Classical Network, aufgezeichnet wird und mit Glück auch irgendwann auf dem Plattenteller oder im MP3-Player landen könnte …

Carl Nielsen im Jahr 1905 auf dem Porträt eines unbekannten Fotografen (p.d., User Feitscherg 2005)
Carl Nielsen im Jahr 1905 auf dem Porträt eines unbekannten Fotografen (p.d., User Feitscherg 2005)

In dieser Auswahl wird mancher andere außerhalb von Nielsens Heimatinsel Fyn und von Dänemark selbst populär gewordene Werke vermissen: etwa die Helios-Ouvertüre, eine Griechenland-Hommage des reisenden Dänen von 1903, das Violinkonzert von 1911, die 2. Symphonie Die vier Temperamente aus dem Jahr 1902 oder die 1906 uraufgeführte Oper Maskarade, die auf einem Schauspiel des Komödiendichters Ludvig Holberg beruht. Doch auch hierzulande wird Nielsens rundes Datum gewürdigt: So spielt am 4. Juli das WDR Sinfonieorchester Köln unter Hannu Lintu im Krupp-Saal Essen anlässlich des Klavier-Festivals Ruhr Igor Levit die Helios-Ouvertüre.

Aus dem Rahmen fallende Stücke wie die Böhmisch-Dänische Volksweise von 1928 oder die frühe Lille Suite für Streicher in a-Moll, op. 1 von 1887/88 würde man anlässlich dieses Geburtstags gerne auch einmal live hören. Mit dem überwiegenden Teil seines Oeuvres eckte Nielsen zu Lebzeiten häufig an, da er als ultramodern galt – aber mehr in dem Sinn, dass er weder spürbar traditionell ausgerichtet komponierte noch sich einer zeitgenössischen „Schule“ wie dem französischen Impressionismus oder der Mahler-Moderne anschloss, sondern einen sehr individuellen dritten Weg einschlug. Schwierige Harmoniebildungen, scheinbar in Fantasiegebilde ausufernde Melodiestrukturen und polytonal gefärbte Durchgänge trugen später einen guten Teil dazu bei, dass er neben allem Rückbezug auf heimatliche Liedkunst und andere Folklorismen als „Avantgardist“ in seiner Epoche wahrgenommen wurde.

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