Lange Zeit galten spanische Komponisten wie Tomás Luis de Victoria in der Frühzeit des kolonisierten Halbkontinents Brasilien als Repräsentanten festlicher kirchlicher Musik. Überwiegend handelte es sich um Chormusik auf der Basis gregorianischer Gesänge, die nur von wenigen Instrumenten – wenn nicht ausschließlich der Orgel – begleitet wurde. Der Feiertag Ascensão de Cristo nahm durchgängig eine hohe Stellung im Zyklus des Kirchenjahrs ein. Heitor Villa-Lobos benannte nach ihm auch seine 2. Symphonie. Dem katholischen Fest Mariä Himmelfahrt widmete hingegen der 1976 geborene in Petrópolis geborene Chorsänger, Pianist und Musikpädagoge Rodolfo Cogliatti ein künstlerisch bedeutsames Orgelpräludium.

Villa-Lobos‘ so benannte 2. Symphonie Ascensão aus dem Jahr 1917 setzt gewissermaßen einen christlichen Kontrapunkt aus der „Neuen Welt“ gegen den noch präsenten Ersten Weltkrieg, der von Europa seinen Ausgang nahm. In Wirklichkeit handelte es sich vor O imprevisto (1920) um die erste abgeschlossene Symphonie des folklorebegeisterten Cellisten aus Rio de Janeiro.
Lokalkolorit und heimische Legenden spielten eine Rolle bei den etwa zur gleichen Zeit beendeten Balletten Amazonas und Uirapuru. In den Jahren 1913 bis 1920 beeinflusste der (genuin französische) musikalische Impressionismus den Komponisten noch deutlicher, doch ebenso suchte er mit den Balletten eine spezifisch brasilianische Atmosphäre zu erzeugen ebenso wie schon mit den Danças Características Africanas von 1916. Immer mehr interessierte ihn in den 1920er Jahren auch die Folklore der brasilianischen Indios wie sie in den weit auseinander liegenden Chansons Typiques Brésiliennes – neben afrikanischen und mestizischen Liedern – Verwendung findet. Erst um einiges später kam eine Neigung zur russischen Musik und insbesondere zu Strawinskys Werk hinzu.

Die Satzfolge wirkt in Ascensão zunächst sehr klassisch: Dem Allegro non troppo folgt eine Allegretto scherzando, diesem Andante moderato, zum Abschluss wieder ein bewegtes Allegro. Die Faktur der einzelnen Sätze zeichnet sich durch häufige rhythmische Wechsel und Überlagerungen aus, in harmonischer Hinsicht driften die Instrumentengruppen auseinander. Insbesondere die repetierten Motivketten in den Flötenstimmen und zeitweise auch in der Behandlung der hohen Streicher erscheinen überwiegend als Illustration des Wilden, Exotischen, der Synchronizität des Ungleichartigen, das dieser Musik eignet. Hinsichtlich der Melodik lässt sich von einer melodramatischen Führung der Stimmen sprechen wie sie im frühen Tonfilm gerne angewandt wurde. Dissonanzen zwischen den Instrumentengruppen werden durch das Primat vorantreibender Impulse in Kauf genommen. Der rasche Wechsel in der thematischen Arbeit verstärkt den Eindruck expressionistischer Heterogenität und einer bewusst uneinheitlich gestalteten Struktur. Nach oben jagende Läufe in den hohen Bläserstimmen illustrieren die dem Vogelflug ähnliche Aufstiegsbewegung der „Himmelfahrt“.
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