Wiederum gelang mit Rupert Lummers Neuinszenierung des 1851 in Venedig uraufgeführten Musikdramas Rigoletto von Giuseppe Verdi in Erfurt ein großer Wurf: Als Gast war der stimmstarke und facettenreiche aus dem südafrikanischen Port Elizabeth gebürtige Bariton Siyabulela Ntlale in der Hauptrolle zu bewundern; er gastiert zum ersten Mal am Theater Erfurt und gibt gleichzeitig hier sein Deutschland-Debut. Zuvor wirkte er als junger Solist im Cape Town Philharmonic Orchestra und gewann erst letztes Jahr eine hohe Auszeichnung für seinen Auftritt bei einem Internationalen Wettbewerb in Düsseldorf. Der Samstagabend vor Ostern bot am Theater Erfurt nun bereits die dritte Aufführung der tragischen Oper in dieser Saison – und wirkte dennoch frisch und unroutiniert. Zu verdanken ist dies überwiegend den Vokalpartien, unter denen neben Siyabulela Ntlale besonders Romy Petrick als Gilda und Nils Stäfes bewährte klare und sonore Bassstimme in der Rolle des Wortführers Marullo hervorstachen.

Wie Shakespeares Otello stellt auch Victor Hugos Hauptfigur aus seinem 1832 entstandenen fünfaktigen Drama Le Roi s‘ amuse (Der König macht sich lustig), der Vorlage für das Libretto, eine von Ambivalenz gekennzeichnete Charakterrolle dar: Ein Vertreter oder Vasall der Macht verzweifelt selbst an deren Willkür, die Rache wütet blind und gnadenlos gegenüber den wirklichen Umständen – ein großes, überzeitliches Thema, das natürlich auch in die Vorzeit des italienischen Risorgimento und zur zeitlichen Umgebung von Verdis Oper Die Schlacht von Legnano (1849) passt, politisch jedoch individuell bleibt.

Musikalisch betrachtet reiht sich Verdis 1851 abgeschlossene Oper in die „populäre Trilogie“ zusammen mit Il Trovatore und La Traviata ein, der im Privaten außerordentlich schwere Jahre vorhergingen, in deren Zug Verdi zwei Kinder und seine Gattin infolge von Krankheiten verlor. In den Arien des Rigoletto verweigert der Komponist nicht nur einmal die Schlusswirkung, sowohl in Gildas bekanntem Caro nome, da der Schlusskadenz bereits die Ankunft von Marullos Trupp unterlegt ist als auch in den Halbschlüssen des bis heute stets präsenten La donna è mobile aus dem Mund des Duca, in der Aufführung überzeugend besetzt durch Richard Carlucci. Gildas Arie nimmt in ihrer dominierenden Prägnanz bereits ihren Opfertod am Ende des dritten Akts voraus, da sie sich anstelle des untreuen Geliebten von Sparafucile, dargestellt durch Vazgen Ghazaryan, und seiner Schwester, repräsentiert von Katja Bildt, in der Mordherberge töten lässt.

Das Bühnenbild changiert zwischen einem Palastinterieur des 18. Jahrhunderts, der noch den alten Herrschaftsadel in seiner ganzen Despotie und Dekadenz offenbart, und einem New Yorker Hintertreppenambiente, in dem Leuchtreklame der Zwischenkriegszeit die Örtlichkeiten im Backsteinstil schwach illuminiert. Hank Irwin Kittels Kostümierung hingegen zeigt die höfischen Verschwörerfiguren eher als Vertreter der Verdi-Zeit, solange sie sich im Milieu des Palasts aufhalten, außerhalb in weißen Kutten, die an den Ku-Klux-Klan erinnern. In einer Spelunke, die als Tankstelle getarnt ist, lauern Sparafucile und Maddalena mit Kleidung wie aus alten Schwarzweißfilmen über Al Capone ihren Raubopfern auf.

Die Lösung bestand also darin, die Figuren jeweils genau passend zu ihren beabsichtigten Handlungen zu zeigen, was der ideellen und teils ja auch plakativ gemeinten Konzeption des Verismo durchaus entgegenkommt. Der Abend im gut gefüllten Haus lohnte den Besuch in jedem Fall, das Philharmonische Orchester Erfurt setzte insbesondere in den vollstimmigen Partien Verdis geniale Instrumentation mit Verve und Gefühl um.
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