Nuancen der Interpretationskunst

Die gemessen am jungen Alter der Ausführenden ohnehin schon fast perfekte Streichquartettformation Paramèse erfuhr an diesem Samstag im Saal am Palais Weimar einen weiteren Schliff. Sie besteht aus hochbegabten Studierenden der Musikhochschule Franz Liszt: Die Violinen besetzten Elisabeth Marasch und Eva-Lotte Baumann, Fabian Lindner war an der Viola zu hören und Sophia Marie Garbe am Violoncello. Der öffentliche Workshop unter Leitung des bekannten Musikwissenschaftlers Professor Peter Gülke stand unter dem Motto Analyse und Interpretation, das Publikum hatte die Möglichkeit jeden Takt anhand der ausgegebenen Partitur genau mitzuverfolgen. Auf dem Programm stand Beethovens von ihm selbst unterschätztes Streichquartett c-Moll op. 18, 4, dem Fürsten Franz Joseph von Lobkowitz gewidmet.

Das Quartett Paramèse mit Prof. Peter Gülke im Saal am 7. März 2015 im Saal am Palais in Weimar. Von links nach rechts: Elisabeth Marasch, Eva-Lotte Baumann, Fabian Lindner und Sophia Marie Garbe (H.-P. Mederer).

Die Musizierenden hörten vom ersten Ton jedes Takts genauestens aufeinander und benötigten für die Wiederholungen, an denen Professor Gülke seine Verfeinerungen der Interpretation demonstrierte, kaum jemals eine Taktangabe. Darüber hinaus besaßen sie die Fähigkeit der fast intuitiven Abstimmung aufeinander im Spiel – was bedeutet, dass sie die Anweisungen in großer Geschlossenheit umzusetzen verstanden.

Worin bestand also der Feinschliff an einem Glas, das für sich schon glänzte? Zum einen waren die dynamischen Unterschiede an den „Scharnieren“, den Modulationsübergängen und Kadenzweiterführungen deutlicher herauszuarbeiten, in den energisch vorantreibenden Passagen durfte das Tempo forscher genommen werden. Auch die von Beethoven zum Taktende hin ausgerichteten Bögen sind nach historisch getreuer Aufführungspraxis buchstäblich aufzufassen.

Vor dem Portal des Wittumspalais in Weimar befindet sich auf der rechten Seite der Eingang zu einem der Konzertsäle der Musikhochschule Weimar (Dr. Bernd Gross, 2014).
Vor dem Portal des Wittumspalais in Weimar befindet sich auf der rechten Seite der Eingang zu einem der Konzertsäle der Musikhochschule Weimar (Dr. Bernd Gross, 2014).

Peter Gülke wies auf die Beschaffenheit der Darmsaiten an den Streichinstrumenten zu Beginn des 19. Jahrhunderts hin, der Ton sollte demnach spitzer und gleichzeitig weicher geformt werden, was dem harmonischen Zusammenspiel des Ensembles tatsächlich einen feineren als auch beseelteren Gesamtklang verlieh. Die Kontrastierungen, vor allem die stakkatierten Repetitionen in Fabian Lindners Bratschenstimme, die deutlich an Momente aus Boccherinis Gitarrenquintetten, etwa an den populären Fandango erinnerten, waren jedoch von vorneherein perfekt geplant und realisiert – wie auch an der abschließenden Gesamtwiederholung des Quartetts zu hören war; hier überzeugte gleichermaßen der vorwärtstreibende Duktus der Interpretation, die so dem vergleichsweise kleinteiligen, schon seinen motivischen Voraussetzungen nach rhythmisch komplexen Werk Konsistenz zu sichern vermochte.

 

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