Mit seinen gut gelaunten expressiv-motorischen Ragtimes kann Scott Joplin (1868 – 1917) als der Vorläufer aller „schwarz“ geprägten Musikstile des 20. Jahrhunderts gelten, nimmt man den Bereich der geistlichen Spirituals und des Gospel einmal aus. Die Bezeichnung für den wesentlich von ihm (mustergültig) geprägten Stil bezieht sich auf die stark synkopierte, also zerdehnte oder „zerrissene“ Spielweise der Oberstimmenmelodie zurück. Zuerst wurde der Begriff angeblich 1893 mit dem Titel Ma Ragtime Baby von Fred Stone verwendet. Seinen Ursprung hat der Ragtime wohl wiederum in bestimmten Ausrichtungen der Coon Songs und Plantation Songs, vor allem aber der Cakewalks der Minstrel Shows und in der Barrelhouse Piano Music sowie in der traditionellen Salonmusik des 19. Jahrhunderts, für die ja vor allem Frédéric Chopin einsteht, dessen gewagtere taktüberbundene Septim- und Nonakkorde jedem Kenner seiner Klavierwerke im Ohr sind.

Der Ragtime selbst prägte unterschiedliche Regionalstile – vor allem im Hinblick auf den Rhythmus – aus. So bevorzugte man in Sedalia eine am Marschrhythmus angelehnte Richtung, während Saint Louis für den durchlaufenden Beat als Hauptmerkmal stand. Jelly Roll Morton und seine Mitstreiter führten in New Orleans den Walking Bass in den Ragtime ein, der wenig später auch auf die Praxis der Blaskapellen, der Banjo-Solisten und Kunstliedsänger übergriff. In den Piano-Rags von Scott Joplin fand er schließlich seine sozusagen klassische Form und den Entertainer kennt seit vielen Jahrzehnten in der westlichen Welt jedes Kind. Joplins Maple Leaf Rag von 1899 ist noch heute das Synonym für die hohe Kunst der Gattung, die auf einer ganz und gar klassischen Ausbildung im Klavierspiel beruht.

Joplins Südstaatenwiege stand im texanischen Texarkana. Mit 18 Jahren trat er bereits in Saint Louis auf, leitete dann eine Combo in Chicago und studierte von 1896 an am George Smith College für Afroamerikaner in Sedalia, wo er sich vor allem in Harmonielehre und Komposition weiterbildete. Die schwarze Herkunft war allen Unkenrufern zum Trotz bald schon kein Hindernis mehr, um bekannt und beliebt zu werden. 1900 ließ er sich wieder in Saint Louis nieder, zog aber schon sieben Jahre später nach New York um, wo er neben seinen Rags auch die Oper Treemonisha (1911) schuf. Das Ragtime-Revival startete erst, nachdem seine selbstständigen kompositorischen Anfänge in jegliche schwarze und weiße Popularmusik längst Eingang gefunden hatten, 1973 mit dem Film The Clou (und damit dem Entertainer) durch und zog Hörer und Tänzer weltweit in seinen Bann …
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