Ebenso stilversiert wie weltgewandt – dank amerikanischer Lebensjahre

Wohl kaum ein anderer Komponist des späten 19. Jahrhunderts sog die ästhetischen Strömungen seiner Zeit so „ungefiltert“ auf wie der in Bradford 1862 geborene Komponist Frederick Delius. Ihn zeichnete eine gewissermaßen gesamteuropäische kulturelle Noblesse aus. Dem leicht morbiden Charakter der Künste um 1890 passte er sich an, wobei sein persönlicher Stil als Komponist immer von Feinsinnigkeit geprägt blieb.  Er rezipierte sowohl die französischen Impressionisten als auch die naturalistische symphonische Sprache des Nordens. Bevor er in Leipzig studierte und anschließend nach Paris zog, verschlug es den erst 22jährigen auf Weisung seines geschäftstüchtigen Vaters nach Florida, wo er eine Orangenplantage leitete.

Jacksonville heute - Die Metropole Floridas war einmal Studienort des Komponisten Frederick Delius (Jon Sander)
Jacksonville heute – Die Metropole Floridas war einmal Studienort des Komponisten Frederick Delius (Jon Sander)

Da ihn die Geschäfte zwar beanspruchten, aber wenig interessierten, begann er bei dem Organisten Thomas F. Ward in Jacksonville zu studieren; schon ein Jahr später konnte er als Musiklehrer tätig werden. Die Lieder der Schwarzen inspirierten ihn ebenso wie die noch neue und im Vergleich zu England ja ganz andere Umgebung  zu ersten Orchesterwerken. So entstand eine Florida Suite (1886/87) und später – im Gedenken – die Komposition Appalachia (1898-1903), die aber beide erst in Europa ihren Abschluss fanden.

Mit der Oper The Magic Fountain (1893-95) griff der Brite dann ebenfalls auf die amerikanischen Erfahrungen zurück. Vergleichbar mit Debussys Nutzung der indonesischen Gamelan-Musik suchte er Züge indianischer Kultur im verklärten und doch auch realistischen Verständnis vom „edlen Wilden“ zu vertonen. In der Oper Koanga (1904) ging es hingegen um die Geschichte eines afrikanischen Prinzen, der der Sklaverei anheimfällt, vergleichbar Aphra Behns barockzeitlicher Erzählung um den Stammesführer Oroonoko in der Südkaribik.

Frederick Delius - wie ihn der Norweger Christian Krohg 1897 sah (Musical Times Vol. 125 No. 1696 p. 329)
Frederick Delius – wie ihn der Norweger Christian Krohg 1897 sah (Musical Times Vol. 125 No. 1696 p. 329)

Der Rezeption von Ravels und Debussys Werk entsprechend schrieb Delius ab 1907 immer wieder auch impressionistisch anmutende lyrische Orchesterwerke, unter anderem In A Summer Garden. Zwischenzeitlich zog ihn die Musik Edvard Griegs an, den er in Leipzig kennen lernte. Aus der Faszination Norwegens heraus entstanden Werke wie Paa Vidderne (1888) nach Henryk Ibsen und Songs from the Norwegian in zwei Zyklen (1888, 1890). Von 1909 an arbeitete er an dem Bühnenwerk Fennimore and Gerda, das in seiner Faktur eher nordische als amerikanische Züge verrät.

Da Delius im Alter an einer Lähmung litt, diktierte er seiner Frau Jelka seine späteren Lieder, zu denen Cynara, A Late Lark sowie am Ende das Idyll für Sopran, Bariton und Orchester (1932) zählen. Die Weisung nach Florida bedeutete für ihn aber sicher die entscheidende Wende in seinem Leben, der er seine gesamte ungewöhnliche Versatilität: von Deutschland nach Norwegen und schließlich nach Paris und  seinen französischen Wohnsitz Grez-sur-Loing begründet hatte.


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