Als Sergej Rachmaninow in Skandinavien 1918 eine längere Konzertreise antrat, war er sich bewusst, dass er im übrigen Europa wegen des Kriegs keine Chance zu weiteren Auftritten hatte. So musste ihm das Angebot aus den Vereinigten Staaten, mit dem damals schon renommierten Bostoner Symphonieorchester zusammenzuarbeiten, durchaus begehrenswert erschienen sein. Beinahe überwog aber die Skepsis, denn die Aussicht darauf, 100 Konzerte in 30 Wochen zu dirigieren, konnte ihn kaum aus der Reserve locken, zudem hatte er an eine Amerika-Tournee im Jahr 1909 nicht die besten Erinnerungen.

Durch die Vermittlung Josef Hofmanns, eines damals berühmten polnischen Pianisten in der Neuen Welt, kam er an den Impresario Charles Ellis in Boston, der ihn unter Vertrag nahm. Allerdings erhielt in Folge eines „Bestechungsskandals“ Kussewitzkij den Posten am Dirigentenpult und Rachmaninow war sicher nicht unglücklich darüber als „der“ europäische Konzertpianist weiterarbeiten zu dürfen. Richtig heimisch wurde er in den Staaten allerdings nie, vermied es Einladungen Folge zu leisten und litt an einer gewissen Oberflächlichkeit der Beziehungen in seiner wenig geliebten Wahlheimat New York, wo er immerhin 1921 schon ein Haus erwarb. Ab 1935 lebte er dauerhaft in den USA.
Dass er seinen extravaganten häuslichen Lebenshaltungsstil wahren konnte, war sicher den guten Einnahmen aus den Konzerten zu danken, doch blieb er selbst bescheiden. Lediglich seine Liebe zu Automobilen machte ihn gewissermaßen zum High-Society-Aristokraten. Er liebte alles Russische – von der Küche bis zur Literatur, wobei er bei letzterer eher einen ausgeprägt konservativen Geschmack bewies. Die Depression von 1931 traf ihn wie andere Großverdiener des Kulturlebens dennoch: Er verlor einen Teil seines in Aktien und Beteiligungen angelegten Vermögens.

Welches Repertoire des geradezu prototypisch russischen Künstlers schätzte dieser am Klavier persönlich? Neben Chopins Werk, für ihn Kosmos aller denkbaren pianistischen Effekte und sein fortdauernder Bezugspunkt lag ihm beispielsweise viel auch an Liszt, insbesondere an La Campanella. Da sich sein Geschmack mit dem des amerikanischen Publikums weitgehend deckte, favorisierte er Kompositionen seines „Konkurrenten“ und Freundes Alexander Skrjabin, die Werke von Nikolaj Medtner und Sergej Tanejew.
Kurios und bemerkenswert für die Zeit war Rachmaninows Programmgestaltung, die immer mehrere Epochen umspannte: Von Bach oder Scarlatti ging er in den Auftritten zur Wiener Klassik über, widmete aber die überwiegende Zeit den romantischen Komponisten; zu seinen Favoriten zählten Grieg, Schubert und Mendelssohn. Den Abschluss seiner Auftritte bildeten hochvirtuose Stücke. Von seinen eigenen Kompositionen spielte er immer öfter das 1. Klavierkonzert und die Paganini-Rhapsodie. Legendär bleibt sein Konzert von 1928 mit Wilhelm Furtwängler in Berlin, zu dessen Anlass er sein 3. Klavierkonzert hören ließ.
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