Eine Verbindung von Musik des frühen 17. Jahrhunderts mit einem Werk aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs ist unkonventionell, aber der Brückenschlag gelang am Donnerstagabend im Erfurter Theater: Generalmusikdirektor Samuel Bächli gelang es, eine Auswahl aus Schütz‘ Psalmen Davids (1619) sinnfällig mit Schostakowitschs 8. Symphonie c-Moll (1943) zu verbinden. Einmal besteht schon per se eine thematische Gemeinsamkeit, auch wenn die Gattungen weit auseinanderliegen: Die klageliedartigen Passagen in den Psalmen korrespondieren mit der Trauer über die Opfer der Schlacht von Stalingrad, nach der Schostakowitsch die Symphonie komponierte.

In der vierten Psalmvertonung Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn ergab sich für Samuel Bächli eine Aufteilung der Solisten in Gruppen, wie sie in großen Kirchen, wo ein ausladender Altarraum zur Verfügung stand, in der venezianischen Mehrchörigkeit gepflegt wurde. Zwischen eine Sopran- und eine Mezzosopranstimme, die sich diagonal gegenüberstehen, positionierte er eine Gruppe aus Sopran, Tenor und Bariton. Von der Praxis in Venedig, die damals in ganz Europa als vorbildlich galt, hatte Schütz als Schüler von Giovanni Gabrieli außerordentlich profitiert; sie blieb Zeit seines Lebens seine Richtschnur.
Dem Dresdner Kapellmeister Schütz lag vor allem die Verständlichkeit des Wortes am Herzen und diese ging – dank des Sängerensembles mit Julia Neumann, Henriette Gödde, Daniela Gerstenmayer, Tobias Schäfer und Michael Borth – tatsächlich in keiner der ausgesuchten sechs Kompositionen verloren. Sie wirkten gleichzeitig licht und transparent und trotzdem, wegen des geschlossenen Klangs der Instrumentalgruppen, in ihren einzelnen Teilen voluminös. Der Philharmonische Kinder- und Jugendchor trug zum plastischen Hörerlebnis, wie man es eben aus Kirchenräumen kennt, noch bei. Der lange anhaltende Applaus besonders hier nach der ersten Hälfte des 8. Sinfoniekonzerts, war der sehr gelungenen Interpretation angemessen.
Schostakowitsch selbst sah seine 8. Symphonie, in die er „so viel Herz und Verstand gesteckt“ hatte, als „Antwort auf die Ereignisse“ einer „schwierigen Zeit“, nämlich der Konfrontation des Sowjetreichs mit der deutschen Wehrmacht in Stalingrad. Sie wurde als formalistisches, von Selbstmitleid geprägtes expressionistisches und sozialistischem Denken fremdes Werk aufgefasst und hatte deshalb kaum eine Chance aufgeführt zu werden. Diese Zuschreibung teilte sie allerdings mit Werken anderer zeitgenössischer russsischer Komponisten. Der ausladende erste Adagio-Satz, der die ganze Tragik des Kriegs umfasst, wird gefolgt von einem knappen Allegretto. Der schrille Klang der Holzbläser im 3. Satz bleibt einem noch im Ohr, wenn Solohorn, Flöten und Klarinetten im Largo, dem 4. Satz, in den Vordergrund treten. Es gibt neben den explosiven, dramatischen Szenerien in Moll auch wenige leicht schwebende Phasen, in denen ironischerweise Tanzrhythmen aufgegriffen werden, die mit den Marschintonationen vor allem des ersten Satzes seltsam kontrastieren. Der eher undramatische moderato-Schluss des Finales, in dem das Hauptthema wieder aufgegriffen wird, überzeugte durch sein angemessen ruhiges Verklingen.
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